An diesem Dezembermittag hing Johanna ruhig und gelassen an ihrer starken schwarzen Eisenkette und weckte eine märchenhafte Stimmung in mir. Vom Wasser aus stiegen graue Schleier hoch und umhüllten die Ginsheimer Grundseilfähre geheimnisvoll.
Ich war auf dem Weg zum Cafe Rheingenuss um mir dort ein wärmendes Mittagsüppchen zu gönnen und versuchte diese besondere Stimmung mit meiner Handykamera einzufangen.
Dabei fiel mir ein kleines Boot auf, dass dort wie aus dem Nichts aus dem Nebel auftauchte. Es war voll beladen und wirkte auf mich wie ein mit technischem Gerät vollbepacktes Forscher-Floß. Ich dachte mir, dass es sicher bessere Tage für die Entnahme für Wasserproben gäbe. Bei der Kälte und dem Nebel auf dem Wasser unterwegs zu sein stellte ich mir extrem unbehaglich vor. Das mussten wohl sehr sehr wichtige Untersuchungen sein. Mir war ja am Ufer schon schaurig schön kalt.
Deswegen bin ich dann auch mal ganz schnell ins Café Rheingenuss gegangen und bestellte mir eine wärmende orientalische gelbe Linsen Suppe, für die ich an dieser Stelle mal meine absolute Empfehlung aussprechen möchte!
Während ich meine mit lila Blüten dekorierte Suppe löffelte, betrat ein ziemlich großer Mann, mit einer etwas seltsam anmutenden Ausrüstung, das Cafe. Er hatte beide Hände voll beladen mit Dingen, die ich noch nie in meinem Leben gesehen hatte und wirkte auf mich, dass er im Moment nicht so genau wusste wohin nun damit.
Was er allerdings genau wusste, war, dass er mal auf jeden Fall einen Kaffe trinken möchte. Mit Sojamilch versteht sich. Ich sinnierte so vor mich hin, was der Herr in schwarzer Arbeitskleidung bewaffnet mit einem schwarzen Kunststoffbrettchen, damit wohl für Arbeiten damit verrichtet könnte, wusste mir aber wirklich keinerlei Reim draus machen. So versuchte ich mich wieder auf den wunderbaren Geschmack meiner Linsensuppe zu konzentrieren.
Doch dieser Mann zog erneut meine Aufmerksamkeit auf sich.
“Diese Freude! Ach – ist das schön! Ach – ist das schön hier 🙂 “, verkündete er mit einer fast kindlich wirkenden fröhlichen Lebendigkeit, die man durch das ganze Cafe hören konnte.
Als ich mich dann bei meiner Bestellung nicht zwischen Milchkaffe und Cappuccino entscheiden konnte, half mir der junge Mann und riet mir zur Sojamilch. Ich drehte mich zu ihm um und bedankte mich für den lieben Tipp und sagte lachend zu ihm: „Ich glaube, ich habe noch Niemanden gesehen, der sich so wunderbar über einen Tasse Kaffee freuen kann!”. Und so kamen wir dann ins Gespräch.
Er freue sich einfach mal wieder Menschen zu sehen und die Wärme des Cafés zu genießen. Nun war natürlich meine Neugier geweckt und ich konnte es nicht unterlassen ihn zu fragen, was in aller Welt jemand dazu treibt bei diesem ungemütlichen Regenwetter mit Wind und Nebel mit dem Kajak unterwegs sein. Und das noch dazu mit einem Zelt!
Und dann sprudelte es auch ihm heraus: “Ich bin Garten- und Landschaftsbauer und kann nur im Winter Urlaub machen.” Er erzählte mir weiter, dass er nun schon seit drei Tagen mit dem Kajak unterwegs sei und mittlerweile 70 Kilometer in seinem Kajak zurück gelegt hat. Nachts habe er irgendwo in der Natur in seinem Zelt geschlafen, mehr schlecht als recht, weil es doch schon ziemlich kalt war. Sein Ziel sei eine Stadt in Holland und von dort aus wolle er dann weiter nach Argentinien. Nun durfte ich auch endlich erfahren, was es mit dem schwarzen Brett auf sich hatte: Stolz präsentierte er mir sein Solarpanell inclusive Generator Marke Eigenbau.
Nur dumm, dass die Sonne die Tage so überhaupt nicht scheinen wollte – der Plan ging leider nicht ganz auf. Zu allem Übel, berichtete er mir fast ein wenig beschämt, hätte er seine Gaskartusche zwar eingepackt aber dann im Auto liegen lassen.
Auf Reisen ist „Ausrüstung ist Alles!“ stellten wir im Laufe des Gesprächs noch einmal gemeinsam fest.
Nun sitzt er hier im Cafe mit 15 Euro in der Tasche und einem Handy das unbedingt mal geladen werden müsste. „Jetzt wärme ich mich erst mal auf und dann sehe ich weiter.” , konstatierte er trotz der ganzen Misere immer noch mit absolut gut gelaunter Miene.
Dieser gut gelaunte junge Mann erinnerte mich an unsere Tochter, die in der letzten Zeit, sagen wir mal eher etwas unkomfortable Abenteuer Reisen unternommen hatte. Auf ihrer Reise hatte sie wunderbare gastfreundliche Menschen kennengelernt, die ihr das Leben unterwegs mit Fahrrad und Hängematte etwas angenehmer gemacht haben. Dafür war ich als Mutter vielleicht noch dankbarer als sie selbst :-)!
Als ich ihn fragte: “Was wünschst Du Dir für den heutigen Tag?“, antworte er bescheiden: „Also, wenn heute noch mal die Sonne scheinen würde, dann wäre der Tag perfekt!“.
Ich glaube, dieser jungen Mann wusste gar nicht, dass gerade die ganze Sonne durch ihn durchscheinte, als er das von sich gab.
Ich konnte nicht anders, ich lud ihm zum Kaffee ein und fragte ihn, ob ich ihm eine Übernachtung im Hotel Ratskeller spendieren darf. Ich wünschte mir, dass er sich mal ordentlich aufwärmen könnte und seine Sachen zum trockenen bringen kann bevor er morgen seine Kajakreise rheinabwärts fortsetzt. Dieses klare Leuchten in den klaren blauen Augen waren der schönste Dank.
Noch dazu hatte ich das Gefühl den Menschen, die Reisenden wie Max oder unserer Tochter Kati bzw. allen Menschen vorurteilsfrei geholfen haben, auf eine etwas andere Art und Weise etwas zurückzugeben.
Spannend finde ich, dass ich in letzter Zeit Menschen kennen lerne, die auf ganz speziellen Reisen sind. Mit Fahrrad und Hängematte durch Deutschland, Barfuß per Anhalter nach Feuerland, mit dem Kajak nach Holland und alle haben ihre ganz besonderen Geschichten zu erzählen. Alle haben eins gemeinsam: sie kommen raus aus ihrer Komfortzone und überwinden ihren inneren Schweinehund. Die beste Ausrüstung im Gepäck die man haben kann: Ein offenen Herz und Vertrauen in die Menschheit.
So komm ich heute zu dem Schluss:
Ausrüstung ist zwar Alles, aber Nichts ohne Seelenwärme.
Was wärmt Deine Seele auf Reisen?